Die Uhrzeit in einer anderen Sprache zu sagen ist gar nicht so einfach, denn verschiedene Kulturen messen und verstehen die Zeit auf ganz unterschiedliche Weise. Wenn man also eine Sprache lernt, lernt man eventuell auch neue Arten kennen, die Uhr zu lesen, den Tag einzuteilen und zu beschreiben, wann etwas stattfindet.
Wenn du zum Beispiel Spanisch sprichst, weißt du, was ahorita bedeutet … oder vielleicht auch nicht? Wie du sicherlich vermutet hast, ist das der Diminutiv (Artikel auf Englisch) bzw. die Verkleinerungsform von ahora („jetzt“). In der Praxis kann es jedoch alles heißen, von „Ja, ich bin auf dem Weg!“ über „Schon gut, ich mach’s irgendwann, dräng mich nicht“ bis hin zu „Ich werde das ganz sicher nicht tun, aber ich sage dir aus Höflichkeit, dass ich es später mache.“
Im Folgenden findest du noch weitere interessante Fakten darüber, wie man in verschiedenen Teilen der Welt über Zeit spricht.

Zeitmessung rund um die Welt
In den meisten Teilen der Welt verändert sich die Menge des Tageslichts je nach Jahreszeit. Die alten Ägypter teilten die Zeit des Tageslichts ursprünglich in zehn gleiche Abschnitte ein, zusätzlich zu Morgendämmerung und Abenddämmerung. In der Nacht nutzten sie 36 Dekane (Sternengruppen), um die Zeit zu messen, wobei sich diese Einteilungen je nach Jahreszeit verschoben. Später gingen sie zu einem System mit zwölf Stunden am Tag und zwölf Stunden in der Nacht über, das später die griechische und römische Zeitmessung beeinflusste.
Im alten Rom wurde die Zeit des Tageslichts in zwölf gleiche Teile unterteilt, die auf Latein horae (Stunden) genannt wurden. Da es in Rom im Sommer mehr Tageslicht gibt als im Winter, dauerte eine Sommerstunde länger als eine Winterstunde. Die Nacht wiederum war in vier vigiliae (Wachen) eingeteilt, die hauptsächlich von Soldaten und Nachtwächtern genutzt wurden.
In der traditionellen chinesischen Zeitmessung wurde ein 24-Stunden-Tag in zwölf „Doppelstunden“ (in Mandarin 时辰 shí chén) eingeteilt, wobei jede davon doppelt so lang war wie unsere heutigen Stunden. Jede Doppelstunde war einem der zwölf chinesischen Tierkreiszeichen zugeordnet, beginnend mit der Ratte (23 Uhr bis 1 Uhr), dem Ochsen (1 Uhr bis 3 Uhr), dem Tiger (3 Uhr bis 5 Uhr) usw. Dieses System war im chinesischen Kaiserreich weit verbreitet und spielte eine wichtige Rolle bei der Planung von Tätigkeiten, religiösen Zeremonien und Regierungsangelegenheiten. Die Zeit wurde mithilfe von Wasseruhren (Klepsydren) und Sonnenuhren gemessen, die in königlichen Höfen und Observatorien sorgfältig gewartet wurden, um eine präzise Zeitmessung zu gewährleisten.
In Indien wurden 24-Stunden-Zyklen früher in acht Teile unterteilt, die प्रहर (prahara) genannt wurden. Ein anderes, genaueres System zur Zeitmessung teilte den Tag in 60 gleiche Abschnitte ein. Jeder Abschnitt dauerte 24 Minuten und wurde घटिका (ghatika) genannt. Zwei ghatikas ergaben ein मुहूर्त (muhurta), also 48 Minuten. In Indien gab es zudem bereits Wasseruhren (घटिका यन्त्र, ghatika yantra), lange bevor im Westen mechanische Uhren erfunden wurden. Detaillierte Beschreibungen dieser Wasseruhren finden sich bereits in Texten aus dem 5. Jh. n. Chr. Die Zeitmessung war so wichtig, dass sie im Arthashastra (4. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) als Obliegenheit des Königs und des Staates bezeichnet wird.
In Thailand wird die Zeit traditionell in vier Abschnitte zu jeweils sechs Stunden eingeteilt (im Gegensatz zu den gewohnten zwei 12-Stunden-Perioden). Die Namen dieser Abschnitte sollen von den Klängen einer Glocke (โมง „moong“ für die Tagesstunden) und einer Trommel (ทุ่ม „thum“ für die Nachtstunden) beeinflusst worden sein, die früher zur Zeitmessung verwendet wurden, auch wenn historische Quellen diesen lautmalerischen Zusammenhang (Artikel auf Englisch) nicht eindeutig bestätigen. Außerdem gibt es besondere Begriffe für die letzte (sechste) Stunde jedes Abschnitts – ähnlich wie im Deutschen und Englischen, wo wir Mittag bzw. noon für 12 Uhr mittags und Mitternacht bzw. midnight für 12 Uhr nachts. Obwohl dieses ältere System noch im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wird, wurde für die offizielle Zeitmessung in Thailand das 12- oder 24-Stunden-System übernommen.
In den Regionen, in denen Swahili gesprochen wird, wie Tansania, Kenia und Sansibar, folgt die Zeitmessung einem System, das sich am Sonnenauf- und -untergang orientiert, statt dem Mitternacht-bis-Mitternacht-Zyklus, der in den westlichen Ländern verwendet wird. Da sich Swahili als Sprache nahe dem Äquator entwickelte, bleiben diese Zeiten das ganze Jahr über gleich. Jeden Tag setzt sich die Swahili-Uhr um die Zeit auf 0 Uhr zurück, was im westlichen mitternachtsbasierten System 6 Uhr morgens entspricht. Das bedeutet, dass jeder Tag gegen Sonnenaufgang bei 0 beginnt. Somit zählen die Menschen in Kenia die Stunden des Tageslichts traditionell von 0 bis 12, was im mitternachts-basierten System von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends entspricht. Und – ganz richtig – was die Menschen in Kenia traditionell von 0 bis 12 Uhr nachts bezeichnen, entspricht im mitternachts-basierten System der Zeit zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens.
Hier sind einige Beispiele für Swahili-Zeiten und ihre Entsprechung im mitternachts-basierten System:
| Uhrzeit in Swahili | Mitternachts-basierte Uhrzeit |
|---|---|
| ☀️ saa 1 asubuhi | 7:00 Uhr |
| ☀️ saa 5 asubuhi | 11:00 Uhr |
| ☀️ saa 9 mchana | 15:00 Uhr |
| 🌆 saa 12 jioni | 18:00 Uhr |
| 🌙 saa 1 usiku | 19:00 Uhr |
| 🌙 saa 4 usiku | 22:00 Uhr |
| 🌙 saa 8 usiku | 2:00 Uhr |
| 🌅 saa 12 alfajiri | 6:00 Uhr |
Hast du die Wörter asubuhi, mchana, jioni, usiku und alfajiri in Swahili gesehen? Sie beziehen sich auf die verschiedenen Abschnitte eines Tages: Morgen, Nachmittag, Abend, Nacht und Dämmerung. Die Wörter mchana, jioni and usiku stammen aus dem Bantu, während die anderen beiden arabischen Ursprungs (beide Artikel auf Englisch) sind: asubuhi von الصباح (aS-SabaaH, „der Morgen“) und alfajiri von الفجر (al-fajr, „die Dämmerung“).
Dieses Zeitsystem wird auch in Äthiopien verwendet und wurde traditionell auch in Ländern wie Sudan und Madagaskar genutzt – also an Orten, an denen das Tageslicht stärker variiert als am Äquator.
Wie viel Uhr ist es?
In vielen Ländern ist die 24-Stunden-Zeitmessung sehr verbreitet, vor allem in formellen Kontexten, weil sie eindeutig angibt, zu welcher Tageszeit etwas stattfindet: Wenn dein Flug um 18:00 Uhr geht, ist es eindeutig ein Flug am frühen Abend. In den USA und anderen englischsprachigen Ländern ist diese Zeitmessung unter dem Begriff „Militärzeit“ bekannt, da Angehörige der Streitkräfte so die Zeit benennen. Im Alltag jedoch gibt es dort die Einteilung in zwölf Stunden am Tag und zwölf Stunden in der Nacht, wobei die zusätzliche Erläuterung „a.m.“ (ante meridiem = vor Mittag) oder „p.m.“ (post meridiem = nach Mittag) hinzugefügt wird.

In vielen Kulturen und Sprachen wird die Uhrzeit beschrieben, indem man sich auf die bevorstehende Stunde bezieht, also auf die nächste volle Stunde. Im Russischen zum Beispiel sagt man für 1:20 Uhr nicht ein Uhr zwanzig, sondern zwanzig Minuten der zweiten [Stunde], sozusagen wie zwanzig Minuten auf dem Weg zu 2:00 Uhr. Ähnlich funktioniert es auch im Deutschen, Spanischen, Französischen, Italienischen und Arabischen, allerdings nur, wenn es näher an der nächsten Stunde ist. In diesen Sprachen ist 1:20 Uhr ein Uhr zwanzig, aber 1:40 Uhr zwei minus zwanzig (beziehungsweise im Arabischen zwei minus ein Drittel und im Deutschen zwanzig vor zwei).
Die Einteilung des Tages
Persönliche Vorlieben spielen bei der Einteilung des Tages zwar auch eine Rolle (wie etwa bei den Frühaufstehern, die schon um 11 Uhr Mittag essen), doch wird diese in viel stärkerem Maße von kulturellen Traditionen bestimmt. Deshalb kann es sein, dass du in deiner Lernsprache ganz andere Tagesabschnitte vorfindest.
Einige der größten Unterschiede betreffen den Zeitpunkt, an dem der Morgen beginnt. Zum Beispiel sagt man im Englischen one in the morning um sich auf 1 Uhr zu beziehen, aber im Russischen verwendet man dafür (so wie im Deutschen auch) ночь (notsch, „Nacht“), weil dieses Wort für die Stunden verwendet wird, in denen eine Person normalerweise schläft. So sagt man im Russischen also so wie im Deutschen ein Uhr nachts. Dies ist auch in vielen anderen Sprachen wie Italienisch, Türkisch, Hindi und Swahili der Fall.
In ähnlicher Weise sind sich verschiedene Kulturen nicht immer einig darüber, wann der Nachmittag endet und der Abend beginnt. Im Englischen nennt man 16 Uhr normalerweise four in the afternoon (vier Uhr nachmittags), doch in Sprachen wie Swahili, Hindi und Japanisch beginnt der Abend früher, sodass man dort eher von „vier Uhr abends“ spricht.
Im Spanischen gibt es keine wirkliche Unterteilung zwischen Abend und Nacht – stattdessen wird tarde (Nachmittag/Abend) viel länger verwendet als im Deutschen. Dafür gibt es im Spanischen jedoch einen zusätzlichen Zeitraum am frühen Morgen: madrugada. Die madrugada bezeichnet die Zeit nach Mitternacht, aber bevor man aufstehen möchte (es sei denn, man steht gerne um 4 Uhr auf). Dieses Konzept eines eigenen frühmorgendlichen Abschnitts findet sich auch im Koreanischen und Chinesischen, wo 새벽 (saebyeok) bzw. 凌晨 (língchén) diesen Zeitraum bezeichnen.
Geh selbst auf Entdeckung der Zeit!
Die Zeit zu benennen ist in der eigenen Sprache ganz selbstverständlich, aber das bedeutet nicht, dass es in einer anderen Sprache genauso funktioniert. Es gibt viele Unterschiede auf der Welt im Hinblick darauf, wie Kulturen Zeit messen, und das Erlernen einer neuen Sprache stellt die Eigenheiten des eigenen Zeitsystems plötzlich in eine ganz andere Perspektive. Übrigens: Es ist Zeit für deine nächste Lektion! ⏰