Das Alphabet, das unsere eigene Sprache verwendet, erscheint uns selbstverständlich, bis wir eine neue Sprache lernen, in der die Buchstaben anders ausgesprochen werden.
Sprachen wie Englisch, Spanisch oder Französisch verwenden Alphabete – im Unterschied zu anderen Schriftsystemen auf der Welt. Dabei war es eine echte *Innovation*, Laute mit Symbolen zu verbinden, und genau das hat die Art, wie Menschen Sprache schreiben, revolutioniert. 💡
Lerne die spannende Geschichte hinter dem Alphabet kennen.
Wer hat eigentlich das Schreiben erfunden?
Die Menschheit begann schon vor über 100.000 Jahren, durch Sprache zu kommunizieren, doch die Idee, diese Sprache auch schriftlich festzuhalten, kam erst viel später. (Und bis wir beim Bloggen angekommen sind, hat es auch nochmal eine ganze Weile länger gedauert!)
Zwei der frühesten bekannten Schriftsysteme, die Keilschrift und die Hieroglyphen, entstanden unabhängig voneinander vor rund 5500 Jahren. In der Keilschrift wurden keilförmige Zeichen verwendet, um ganze Wörter oder Wortbestandteile darzustellen. Die ägyptischen Hieroglyphen hingegen sind oft besser als Bilder zu erkennen (wie Bilder von Vögeln oder Schilf), die jeweils für ein ganzes Wort oder eine Silbe standen.
Diese beiden Schriftsysteme hatten einen großen Anteil an der Entwicklung der mesopotamischen und ägyptischen Hochkulturen, doch die Nachbarn erkannten Verbesserungsmöglichkeiten.
Phönizier: Die Erfinder des Alphabets
Vor etwa 3000 Jahren hatten die Phönizier im Gebiet des heutigen Libanon eine bahnbrechende Idee: Sie beschlossen, Zeichen für einzelne Laute statt für ganze Wörter zu verwenden. Dafür wandelten sie ägyptische Hieroglyphen ab und wiesen jedem Zeichen eine bestimmte Aussprache zu.
Doch die Phönizier waren noch nicht fertig, denn ihr neues neues System hatte zwei weitere revolutionäre Eigenschaften:
- Es bestand aus nur 22 Zeichen. Das war beeindruckend wenig – zum Vergleich: Die ägyptischen Hieroglyphen umfassten etwa 100 Zeichen. (Und das moderne Chinesisch hat Tausende!)
- Es wurde immer in derselben Richtung geschrieben. Frühere Schriftsysteme konnten in verschiedenen Richtungen geschrieben werden, während das Phönizische ausschließlich von rechts nach links geschrieben wurde.
Nach heutigem Verständnis würde das phönizische System streng genommen nicht als Alphabet gelten, und zwar aus einem bestimmten Grund: Es enthielt nur Zeichen für Konsonanten, während man sich die Vokale hinzudenken musste. Somit wussten nur diejenigen, die Phönizisch konnten, welche Vokale das jeweilige Wort enthielt. Wenn du schon einmal Plattformen wie Tumblr, Scribd oder Flickr benutzt hast, weißt du: Man braucht nicht immer alle Vokale, um ein Wort zu verstehen! (Dieses Phänomen wird manchmal als Entvokalisierung bezeichnet.) So funktionieren übrigens auch Sprachen wie das moderne Arabisch und Hebräisch.
Das neue phönizische Schriftsystem ermöglichte es den Schreibern, beliebige Texte zu kopieren und zu verfassen und diese sogar aus anderen Sprachen zu übersetzen. Für Sprachlernende war das besonders praktisch, denn durch seine Einfachheit ließ es sich leicht auswendig lernen.
Das Alphabet wurde so erfolgreich, dass es sich bald auf andere Kulturen des Mittelmeers ausbreitete, einschließlich der Griechen. Von dort übernahmen es die Römer, die es schließlich in ganz Europa bekannt machten.
Warum heißt es Alphabet?
Auch wenn sich Alphabete im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben, ist der Name Alphabet nahezu unverändert geblieben. Die ersten beiden Zeichen des phönizischen Alphabets hießen ʾālep und bēt, die im Griechischen zu alpha und beta wurden – und daraus entstand das Wort Alphabet!
M steht für … mem?
Die ägyptischen Hieroglyphen, die die Phönizier für ihr Alphabet verwendeten, waren ursprünglich winzige Bilder realer Alltagsgegenstände. Die Idee dahinter war einfach: Man nahm den ersten Laut eines Gegenstands und suchte dann ein passendes kleines Bild für diesen Gegenstand – und dann stand das Bild für diesen Laut.
Zum Beispiel wurde für die Darstellung des ersten Buchstabens des phönizischen Alphabets, ʾālep, das stilisierte Bild des Kopfes eines Ochsen gewählt, weil das Wort für „Ochse“ mit einem Glottisschlag begann, also mit demselben Laut wie ʾālep (der Laut ist durch den Apostroph wiedergegeben). Im Deutschen ist dieser Laut zum Beispiel innerhalb des Wortes erinnern (er’innern) anzutreffen; es handelt sich um den Stopp vor dem „i“. Der nächste Buchstabe, bēt, war das Bild eines einfachen Hauses, da das Wort für „Haus“ mit einem „b“-Laut begann, usw.
Mit der Zeit, als die Buchstaben immer wieder verwendet und von anderen Sprachen übernommen wurden, wurden die ursprünglichen Bilder im Alphabet zunehmend undeutlicher. So drehte sich zum Beispiel der Ochsenkopf (ʾālep), sodass seine beiden Hörner zur Seite zeigten. Später wurde das Zeichen nochmals gedreht, bis zur heutigen Ausrichtung.

Und das passierte mit allen Zeichen des Alphabets: Sie veränderten sich im Laufe der Zeit so stark, dass sie kaum noch als die einstigen Bildzeichen erkennbar sind.
Einige der modernen Buchstaben weisen jedoch noch Spuren ihrer Herkunft auf. Der dreizehnte Buchstabe im phönizischen Alphabet hieß mēm und bedeutete „Wasser“. Der heutige Buchstabe M hat sich im Vergleich kaum verändert, er erinnert noch immer an kleine, zackige Wellen, wie sie ein Kind zeichnen würde.

Der vierzehnte Buchstabe wurde nūn genannt, was „Schlange“ bedeutete, und tatsächlich erinnerte seine Form an eine sich fortbewegende Schlange. Der heutige deutsche Buchstabe N hat sich gegenüber seinem schlangenartigen Vorgänger wenig verändert!

Das Alphabet in der Popkultur
Heute lebt das Erbe des Alphabets und sogar das einzelner Buchstaben in der Popkultur weiter.
Die Phönizier, die als Erste ein alphabetisches System entwickelten, wurden eng mit dem Schreiben allgemein in Verbindung gebracht. Die phönizische Stadt Byblos, einer der Orte, an denen das Alphabet entstand, wurde im Griechischen praktisch zum Synonym für das Wort biblion, das „Papier“ bedeutete. Der Name des bekanntesten Buches der Welt, der Bibel, stammt übrigens auch daher!
Das Wort Alpha wird oft verwendet, um eine dominante oder starke Person zu bezeichnen – dabei ist es eigentlich nur der Name des ersten Buchstabens im griechischen Alphabet.
Ironischerweise ist die Generation Alpha – also die jüngste Generation, geboren etwa ab dem Jahr 2010 – nach einem über 3000 Jahre alten Symbol benannt, das ursprünglich die Zeichnung eines Ochsenkopfes war. Und während die jüngsten Mitglieder dieser Generation gerade das Alphabet lernen, übernehmen sie damit auch die einfachen, aber kreativen Ursprünge dieser paar Dutzend Buchstaben.
Übrigens, erinnerst du dich noch an den zweiten Buchstaben des phönizischen Alphabets, bēt, dass dieser „Haus“ bedeutet und dass die Abbildung eines kleinen Hauses den Buchstaben „b“ symbolisiert? Phönizisch ist eine semitische Sprache, ebenso wie Arabisch und Hebräisch (Artikel auf Englisch) – und in all diesen Sprachen bedeutet bēt „Haus“. Der Name der Stadt Bethlehem (hebräisch Bet Leḥem) bedeutet etwa „Haus des Brotes“ oder „Haus des Essens“, wobei sich das Wort „Haus“ möglicherweise auf einen Tempel bezog.
Mehr als nur ABC
Was für uns selbstverständlich ist – das Alphabet – hat eine erstaunliche Geschichte. Und jedes Mal, wenn wir schreiben oder lesen, können wir uns bei den Phöniziern bedanken.