Die zweisprachige Erziehung von Kindern (Artikel auf Englisch) ist eine persönliche Entscheidung, die oft komplex ist – besonders angesichts der vielen Fehlinformationen über die Vor- und Nachteile, Kinder mit mehreren Sprachen zu konfrontieren.

Das gilt besonders für Familien mit autistischen Kindern, da Autismus eine Form von Neurodiversität ist, die die Sprachentwicklung beeinflusst. In diesem Artikel erfährst du, was die Forschung über autistische Kinder sagt, die mit mehreren Sprachen aufwachsen!

Was ist Autismus?

Autismus ist eine Form von Neurodiversität mit zwei Hauptmerkmalen: 1) Unterschiede bei der sozialen Kommunikation und 2) fokussierte, sich wiederholende Verhaltensmuster und Interessen.

Autismus entsteht durch eine angeborene Abweichung im Gehirn und tritt schätzungsweise bei etwa 1 von 100 Kindern weltweit auf. Er kann sich von Person zu Person sehr unterschiedlich äußern – und sich sogar bei ein und derselben Person im Laufe des Lebens verändern.

Schon früh im Leben entwickeln viele autistische Kinder Sprache anders als neurotypische Kinder. Viele äußern Wörter und Sätze erst später in der Kindheit als neurotypische Kinder. Auch können sie Sprache unterschiedlich verwenden, z. B. nutzen sie repetitive oder ungewöhnliche Laute und Ausdrücke. Etwa 70 % der Menschen mit Autismus kommunizieren über gesprochene Sprache, während andere sich über nicht-sprachliche Wege ausdrücken, zum Beispiel mit Gebärdensprache oder unterstützender Technologie.

Wir beginnen erst allmählich zu verstehen, wie sich diese Unterschiede auf den Zweitspracherwerb auswirken– doch die bisherigen Ergebnisse zeigen unerwartete Vorteile!

Vorurteile über Autismus und Bilingualismus 

Früher nahm man an, dass der Kontakt mit mehr als einer Sprache Kinder mit Autismus verwirren oder ihre sprachliche Entwicklung zusätzlich verzögern könnte, da der Gebrauch von Sprache für sie ohnehin eine besondere Herausforderung darstellt. Deshalb wurde mehrsprachigen Eltern bzw. Bezugspersonen häufig geraten, in den ersten Lebensjahren nur eine Sprache mit ihrem Kind zu sprechen. Außerdem gibt es nur wenige Therapeuten, die selbst zweisprachig sind, weshalb viele Familien zusätzlich unter Druck standen, mit dem Kind ausschließlich in der Sprache des Therapeuten zu sprechen – was meist auch die Umgebungssprache war.

Im Gegensatz zu dieser früheren Annahme gibt es in den meisten aktuellen Studien keine Hinweise auf Nachteile für mehrsprachige autistische Kinder.

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In einer mehrsprachigen Umgebung aufzuwachsen, beeinflusst die Sprachentwicklung autistischer Kinder keineswegs negativ, ganz im Gegenteil: Viele autistische Kinder sind erfolgreich beim Erwerb einer zusätzlichen Sprache.

Einsprachige und zweisprachige autistische Kinder erreichen sprachliche Meilensteine wie das Brabbeln und die ersten Wörter in einem ähnlichen Alter wie neurotypische Kinder, und sie zeigen im frühen Kindesalter auch ein vergleichbares Verständnis und eine ähnliche Verwendung gesprochener Sprache. Der Kontakt mit mehreren Sprachen verzögert nicht die Sprachentwicklung bei autistischen Kindern – vielmehr ähneln mehrsprachige Kinder mit Autismus in ihrer Sprachentwicklung einsprachigen Kindern mit Autismus.

Überraschende Vorteile von Zweisprachigkeit für Autisten

Der Kontakt mit mehreren Sprachen hat sogar mehrere relative Vorteile für autistische Kinder!

Zweisprachige Kinder mit Autismus sind tendenziell besser in der nonverbalen Kommunikation, insbesondere was Gesten betrifft, als autistische Kinder, die nur eine Sprache sprechen. Das liegt möglicherweise daran, dass verschiedene Sprachen feine Unterschiede in der Verwendung nonverbaler Signale erfordern, sodass der Umgang mit mehreren Sprachen mehr Gelegenheiten bietet, diese Signale zu erlernen. Da nonverbale Kommunikation für Menschen mit Autismus oft eine Herausforderung darstellt, ist dies ein besonders positiver Vorteil für mehrsprachige Autisten.

Zweisprachigkeit kann auch positive familiäre Interaktionen für Kinder mit Autismus fördern. Das ist einer der Hauptgründe, warum Familien mehrere Sprachen verwenden: Wenn Kinder die Sprache ihrer Familie sprechen können, fällt es ihnen leichter, Beziehungen zu ihren Bezugspersonen und ihrer Kultur im weiteren Sinne aufzubauen. Das kann besonders hilfreich für Kinder mit Autismus sein, da der Gebrauch mehrerer Sprachen innerhalb der Familie zahlreiche und vielfältige Gelegenheiten bietet, soziale Bindungen zu entwickeln.

Unsere Sprachen verbinden uns miteinander

In den USA wachsen etwa 25 % der Autisten in einem mehrsprachigen Umfeld auf und die meisten autistischen Erwachsenen aus zweisprachigen Haushalten empfinden ihre zweisprachige Erziehung als positiv. Wir müssen noch viel darüber lernen, was es bedeutet, gleichzeitig bilingual und autistisch zu sein, aber das, was wir bisher wissen, deutet darauf hin, dass die Vorteile größer sind, als man früher erkannt hat.