Im vergangenen Jahr hast du vielleicht mit Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT experimentiert. Diese besitzen ein breites Spektrum an Fähigkeiten, vom Zusammenfassen eines Artikels über das Verfassen eines Bewerbungsschreibens bis hin zum Planen einer Reiseroute. Die Magie liegt in ihrer Fähigkeit, Texte basierend auf den Anweisungen, den sog. „Prompts“, zu generieren, die du ihnen gibst. Je detaillierter deine Anweisungen, desto detaillierter und zielgenauer ist das Ergebnis.

Möglicherweise hast du dich schon einmal gefragt, ob du mithilfe solcher Chatbots auch deine neue Sprache üben kannst! Die Antwort lautet eindeutig: Ja! Wenn du allerdings eine simple Anweisung wie „Übe Spanisch mit mir“ gibst, wirst du kaum eine besonders exakte oder auf deine Bedürfnisse abgestimmte Lernerfahrung erhalten. Zum allgemeinen Üben mag das ein guter Anfang sein, aber was, wenn du das KI-Modell optimieren möchtest, damit es dich während des Übens aktiv unterrichtet?

Wir haben gute Nachrichten für dich: Das Schwierigste haben wir für dich bereits erledigt! Genau diese Frage haben wir uns bei der Entwicklung unseres neuen Features Rollenspiel gestellt. Die Anweisungen, die wir dem LLM für diese Funktion gegeben haben, bestanden nicht nur aus einfachen Befehlen wie „Übe Spanisch mit mir“. Vielmehr entwickelte ein Team aus Entwicklern, Designern, Linguisten und Produktmanagern mit großer Sorgfalt ein komplexes System von Eingabeaufforderungen. Ihr Ziel war dabei, dir eine gezielte, unterhaltsame und hilfreiche Erfahrung beim Sprachenlernen zu bieten. Diese Funktion nutzt die Magie der KI, indem sie sich dynamisch anpasst und auf alles reagiert, was du sagst. Dabei liegt der Fokus stets darauf, deine Sprachfertigkeiten weiterzuentwickeln.

Sehen wir uns einmal genauer an, wie dieses Feature funktioniert und dein Sprachenlernen revolutionieren kann!

Wie funktioniert das Feature „Rollenspiel“?

LLMs werden durch eine Reihe von Anweisungen gesteuert, die Prompts genannt werden. Im Rollenspiel auf Duolingo führst du mit einem unserer Charaktere ein Gespräch. Du denkst vielleicht, dass ein einzelner Prompt das gesamte Gespräch steuert, wie zum Beispiel: „Dein Name ist Oscar und du sprichst mit jemandem, der Spanisch lernt. Stell dir vor, du machst Pläne für das Wochenende“, und dann legt das LLM los und unterhält sich frei und fließend mit dir.

Ganz so leicht funktioniert das allerdings nicht! In Wirklichkeit steuert jedes Mal, wenn Oscar in deinem Gespräch antwortet, ein anderer Prompt seine Antwort. Jeder einzelne Prompt ist darauf spezialisiert, eine ganz bestimmte Art von Antwort für Oscar zu gestalten. Zum Beispiel ist ein bestimmter Prompt darauf optimiert, Fragen zu formulieren, ein anderer, Aussagen zu treffen, die dich dazu verleiten, nach mehr Informationen zu fragen, einer zum Themenwechsel und ein weiterer, das Gespräch allmählich zum Abschluss zu bringen, usw.

Ein Vergleich könnte zum Verständnis helfen: Stell dir dein Rollenspiel nicht wie ein entspanntes Telefongespräch vor, sondern eher wie eine Reihe von Gesprächen mit verschiedenen Callcenter-Mitarbeitern, die aus jeweils einer Frage und einer Antwort bestehen. Jedes Mal, wenn du etwas sagst, wird dein Anruf an einen neuen Mitarbeiter weitergeleitet.

Der erste Mitarbeiter begrüßt dich und stellt dir eine Frage. Nachdem du geantwortet hast, wirst du an einen neuen Mitarbeiter weitergeleitet, der speziell darauf geschult ist, die nächste Antwort in deinem Gespräch zu geben. Dieser Prozess wiederholt sich, wobei jeder Mitarbeiter perfekt darauf vorbereitet ist, das Gespräch sinnvoll fortzusetzen.

Und jetzt stell dir vor, dass jeder einzelne Callcenter-Mitarbeiter Oscar ist. Jedes Mal, wenn er dich an einen anderen Oscar weiterreicht, gibt er diesem eine Mitschrift des bisherigen Gesprächsverlaufs. So weiß der Oscar, mit dem du jetzt gerade sprichst, ganz genau, wo in der Unterhaltung ihr euch gerade befindet. Dabei ist jeder Oscar darauf trainiert, Fragen zu stellen, das Thema zu wechseln, Dinge zusammenzufassen und exakt im richtigen Moment einzuspringen.

Du kannst dir die „Regeln“, die bestimmen, welche Oscars zu einem bestimmten Zeitpunkt das Gespräch übernehmen, wie ein komplexes Flussdiagramm vorstellen. Einige Oscars dürfen erst sprechen, nachdem der Erzähler etwas gesagt hat, andere erst, nachdem du geantwortet hast, und wieder andere erst, nachdem eine bestimmte Anzahl von Dialogwechseln stattgefunden hat. Das stellt sicher, dass jedes Gespräch flüssig, unterhaltsam und lehrreich verläuft.

Flussdiagramm, das den Ablauf eines Nutzers während eines Rollenspiels beschreibt. Schritt 1 ist die Eröffnung eines Gesprächs, die zu einer Frage eines Charakters führt. Darauf folgt eine Antwort des Lernenden und darauf wiederum eine Aussage des Charakters. Dies ist der mittlere Teil des Gesprächs. Danach stellt der Charakter erneut eine Frage, worauf der Lernende wieder antwortet. Diese Schritte können sich in einer Schleife wiederholen, bis schließlich eine Schlussfolgerung des Charakters erfolgt und das Rollenspiel mit einem abschließenden Satz beendet wird.

Inwiefern hilft dies beim Lernen?

Jeder Oscar, d.h. jeder Prompt, ist nicht nur darauf trainiert, eine im Zusammenhang sinnvolle und natürliche Antwort zu geben, sondern erhält auch eine allgemeine Schulung, um sicherzustellen, dass das gesamte Lernerlebnis effektiv und ansprechend ist. Und das funktioniert folgendermaßen:

1. Sorgfältig entworfene Szenarien

Jeder Prompt enthält ein bestimmtes Szenario, das den Kontext herstellt. Es umfasst den Ort des Geschehens, die Rolle des Charakters, was der Charakter tun möchte, und ein Lernziel, das deinem GER-Niveau entspricht. Dadurch erhält jede Lernerfahrung mit dem Rollenspiel ein Ziel und stellt dich vor eine reale Situation, in der du deine Zielsprache anwenden musst. Anstatt einfach nur belanglos zu plaudern, geben die Szenarien dem Gespräch ein Ziel vor. Aber du kannst die Unterhaltung jederzeit in jede gewünschte Richtung steuern. Eine Eingabeaufforderung könnte zum Beispiel so aussehen*:

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Lernziel: Eine Bitte ablehnen

Szenario:
- Der Lernende und Oscar sind Freunde, und der Lernende lehnt Oscars Bitte freundlich ab.
- Oscar möchte, dass der Lernende auf sein Haustier aufpasst, aber der Lernende lehnt Oscars Bitte höflich ab.
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2. Anpassung an den GER

Unsere Rollenspiele werden von Lernenden verschiedener Kenntnisniveaus genutzt. Unser Ziel ist es, ein Gleichgewicht zu finden – der jeweilige Charakter soll keine zu schwierige Sprache verwenden, da dies entmutigend und verwirrend sein könnte. Andererseits darf die Sprache auch nicht zu einfach sein, denn wenn der Charakter nur Wörter verwendet, die du bereits kennst, lernst du nicht viel dazu. Jeder Prompt im Rollenspiel enthält Informationen über dein GER-Niveau, um dich in der Zone der nächsten Entwicklung (Artikel auf Englisch) zu halten.

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Verwende ausschließlich das GER-Niveau A1

Anweisungen:
- Verwende nur Sprache auf A1- bzw. Anfänger-Niveau.
- Verwende nur einfache grammatikalische Strukturen.
- Verwende nur die einfache Gegenwartsform.
- Die Sprache auf A1-Niveau muss einfach, aber gleichzeitig natürlich und grammatikalisch korrekt sein.
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3. Die Persönlichkeit der Charaktere

Jede Eingabeaufforderung gibt dem LLM Informationen, damit es so klingt wie der Duolingo-Charakter, mit dem du sprichst. Zum Beispiel wird Lilli in einem Rollenspiel nicht übermäßig fröhlich klingen, und Eddy wird nicht entmutigt wirken. Wir geben dem Modell Informationen über die allgemeine Persönlichkeit der Charaktere, ihren Sprachstil, ihre Beziehungen zu anderen Charakteren sowie weitere Hintergrundinformationen. Das macht die Lernerfahrung nicht nur unterhaltsamer und authentischer, sondern gibt dir auch die Möglichkeit, deine Zielsprache mit verschiedenen „Personen“ zu üben.

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Charakter: Oscar
Informationen über den Charakter:
- Er ist ein Mann in seinen Vierzigern, der sich leidenschaftlich für Kunst, gehobene Restaurants und Kultur interessiert.
- Seine Art zu sprechen kann etwas arrogant und hochnäsig wirken.
- Er ist sehr stolz auf sein äußeres Erscheinungsbild, insbesondere auf seinen Schnurrbart.
- Er liebt die darstellende Kunst.
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4. Der Erzählbogen

Dir ist vielleicht aufgefallen, dass nicht nur du und der Charakter die Protagonisten im Rollenspiel sind. Es gibt auch einen Erzähler, der die Interaktion einleitet und abschließt sowie während des Rollenspiels neue Informationen einbringen kann. Der Erzähler gibt die Situation vor, vermittelt das Ziel, lenkt das Gespräch bei Bedarf zurück zum Thema und beendet es schließlich auf natürliche Weise. Der Erzähler verleiht der Unterhaltung Struktur, indem er ihr einen Anfang, eine Mitte und ein Ende gibt, sodass sie sich stimmig anfühlt. Er sorgt dafür, dass das Gespräch voranschreitet, dabei nicht zu lang wird, und steuert hin und wieder nette oder amüsante Elemente bei.

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Dies sind die Anweisungen für die Einleitung des Dialogs als Erzähler:

- Die Einleitung gibt die im Handlungsablauf beschriebene Situation vor.
- Die Einleitung eröffnet einen Dialog, in dem der Lernende sein Lernziel erreichen kann.
- Die Einleitung führt den Charakter so ein, dass seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommt.
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Also, kann ChatGPT mir beim Üben meiner Sprache helfen?

Ja, du kannst LLMs zum Üben deiner Lernsprache verwenden. Wenn du allerdings eine Lernerfahrung wünschst, die auf dein Sprachniveau abgestimmt ist, dich in reale Szenarien versetzt, die es dir ermöglicht, mit dir bekannten Charakteren zu interagieren, und die dazu präzise und befriedigend ist, dann bräuchtest du eine sehr spezifische Reihe von Eingabeaufforderungen, um die Erfahrung an deine Bedürfnisse anzupassen.

Genau hier kommen wir ins Spiel. Bei Duolingo arbeiten wir ständig daran, die KI zu optimieren, um dein Spracherlebnis unterhaltsamer, persönlicher und vor allem effektiver zu gestalten. Wir haben den schwierigsten Teil erledigt, nämlich die Prompts und Szenarien zu erstellen. Alles, was du nun noch tun musst, ist in die Rollenspiele einzutauchen und mit unseren Charakteren zu sprechen. Also, worauf wartest du noch? Probier’s gleich aus!

* Diese Prompts sind vereinfachte Versionen der Prompts und der Logik, die wir in unserer App verwenden.