Anders als die meisten europäischen Sprachen besitzt das Japanische drei Höflichkeitsformen.  Wenn man Japanisch lernt, steht man also vor einer Herausforderung, denn wie formell oder informell soll man das Gegenüber ansprechen – und damit auch beeinflussen, auf welchem Höflichkeitsniveau diese Person mit dir interagiert? Zudem zeigt sich die Höflichkeit in der japanischen Sprache nicht nur in den Pronomen. Hier erfährst du, wie Höflichkeit und Formalität im Japanischen funktionieren!

Die verschiedenen Höflichkeitsstufen im Japanischen

Es gibt im Japanischen drei Möglichkeiten der Anrede: informell, formell und sehr formell. Welche dieser Formen man verwendet, hängt davon ab, welches Alter und welche soziale Stellung sowohl man selbst als auch die andere Person hat (oder auch die Person, über die man spricht). Dies sind die Grundlagen zu den drei Höflichkeitsstufen:

Informelle Sprache
Die informelle Sprache wird unter Familienmitgliedern und engen Freunden verwendet oder wenn sich beide Gesprächspartner darauf einigen, in die informelle Sprache zu wechseln. (Und natürlich, wenn du Selbstgespräche führst!) Auch ältere Menschen oder Personen mit höherem sozialen Status nutzen diese Form, wenn sie mit jüngeren oder sozial niedriger gestellten Personen sprechen. Dabei hat die ältere bzw. ranghöhere Person die Wahl zwischen informeller und formeller Sprache.

  • Wer sie verwendet: Die informelle Sprache wird von Lehrkräften gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie unter Geschwistern verwendet.
  • Wie sie klingt: In der informellen Sprache werden Abkürzungen, Slang-Wörter und einfache Verbformen gebraucht, z. B. Endungen wie -u oder -ru statt -masu.

Formelle Sprache
Sie wird in der Regel zwischen Personen verwendet, die sich nicht besonders nahe stehen, etwa unter Kollegen oder Bekannten. Auch jüngere Menschen verwenden sie, wenn sie mit Älteren oder Autoritätspersonen sprechen. Oft beginnen auch Gleichaltrige oder Personen mit ähnlicher sozialer Stellung zunächst mit der höflichen Sprachform und wechseln erst dann in die informelle Sprache, wenn sie sich besser kennengelernt haben. Meist schlägt einer der beiden ausdrücklich vor, zur informellen Sprache überzugehen, oder fragt, ob das in Ordnung ist.

  • Wer sie verwendet: Die höfliche Sprache wird von Angestellten gegenüber ihren Vorgesetzten oder von Schülern gegenüber ihren Lehrkräften verwendet. Dabei kann die ältere oder übergeordnete Person entweder informell oder formell antworten!)
  • Wie es klingt: In der formellen Sprache benutzt man die Endungen です (desu) und ます (masu), die jeweils an Nomen, Adjektive und Verben angehängt und entsprechend konjugiert bzw. dekliniert werden.

Sehr formelle Sprache
Sie wird in geschäftlichen Kontexten, im Dienstleistungsbereich und in anderen formellen Situationen verwendet.

  • Wer sie verwendet: Zum Beispiel die Bedienung im Restaurant gegenüber den Gästen.
  • Wie es klingt: Hier werden bestimmte Suffixe an das Ende der Verben angehängt, wie -gozaimasu, -orimasu und itadakimasu (in dieser Höflichkeitsstufe findet man also häufig sehr lange Verben!). Außerdem gibt es einige spezielle Wörter, darunter Nomen, die mit Präfixen wie お (o-) oder ご (go-) noch mehr Höflichkeit zum Ausdruck bringen.

So sprichst du jemanden auf Japanisch an

Wie du siehst, beeinflusst die Höflichkeitsstufe, mit der du dein Gegenüber ansprichst, die Endungen der Verben, Satzpartikel und manchmal sogar die Wortwahl. Außerdem gibt es verschiedene Möglichkeiten, jemanden anzusprechen, abhängig davon, in welcher Beziehung man zueinander steht:

Formelle Anreden
Formelle Anreden enthalten im Japanischen bestimmte Endungen, die an den Vor- oder Nachnamen (oder an beide) angehängt werden, um Respekt oder die Art des Verhältnisses zu einer Person auszudrücken. Die bekanntesten sind:

  • さん (-san): Dies ist die gängigste Endung, die Höflichkeit ausdrückt, und eignet sich für fast jede Situation. Sie entspricht in etwa dem deutschen „Herr“ oder „Frau“, wird aber auch häufig im Alltag verwendet. Sogar Klassenkameraden sagen manchmal "-san" zueinander, auch wenn sie in der informellen Sprache sprechen.
  • 様 / さま (-sama): Diese Endung ist deutlich respektvoller und wird zum Beispiel für Kunden, Gäste oder andere Personen verwendet, denen man besonderen Respekt ausdrücken will. (Manchmal wird sie auch ironisch benutzt.)
  • ちゃん (-chan): Das ist eine liebevolle und informelle Anrede, die oft für Mädchen und Frauen verwendet wird. Auch Jungen oder Männer können mit -chan angesprochen werden, wenn man diesen sehr nahe steht. 
  • くん (-kun): Diese informelle Anrede wird oft zusammen mit männlichen Namen verwendet, um eine gewisse Vertraulichkeit auszudrücken, zum Beispiel in einem Unternehmen zwischen Mentoren und ihren Schützlingen (egal welchen Geschlechts).

Namen und Anreden
Im Japanischen spricht man andere fast immer mit einem Höflichkeitssuffix oder einer Anrede an und nie mit dem reinen Vornamen. Die Verwendung des Vornamens allein ist eher selten und ist auf die Familie, sehr enge Freundschaften oder (Ehe-)Partner beschränkt!

(Tatsächlich ist es ein typisches Element in Liebesgeschichten, den „magischen Moment“ zu beschreiben, in dem sich ein Paar zum ersten Mal bei den Vornamen nennt. 💘)

Eine Möglichkeit, jemanden direkt anzusprechen, ist der Gebrauch einer Anrede anstelle des Vornamens. Dabei kann der Titel auch an das Ende des Vornamens angehängt werden und so als Honorifikum verwendet werden. Dies sind zwei häufige Anreden:

  • 先輩 (senpai): Dieser Titel wird für Gleichgestellte verwendet und ist in der Schule oder am Arbeitsplatz für Personen üblich, die schon länger dabei sind als du (zum Beispiel Schüler in einer höheren Jahrgangsstufe oder Personen mit mehr Berufserfahrung, die aber nicht Vorgesetzte sind). Man kann senpai übrigens auch außerhalb von Schule und Arbeit benutzen, z. B. wenn jemand schon länger gegen Monster kämpft als du!
  • 先生 (sensei): Dieser Titel wird für Lehrkräfte, Ärzte und Künstler verwendet, wie Mangaka (Manga-Künstler)!

Pronomen
Die meisten nutzen Namen oder Anreden anstelle des entsprechenden Pronomens (du bzw. Sie), um jemanden direkt anzusprechen. Im Allgemeinen wird der Gebrauch eines Pronomens als direkte Anrede als unhöflich empfunden – und wenn ohnehin klar ist, mit wem man spricht, braucht man gar kein Pronomen! Im Japanischen gibt es aber verschiedene Pronomen, die in bestimmten Situationen verwendet werden und die einen Hinweis geben auf die Beziehung zwischen Sprecher und Angesprochenen:

  • あなた (anata): Dies ist zwar eine gängige Übersetzung für das deutsche „du“, doch es wird viel seltener verwendet, weil du dabei jemanden ohne den Namen oder die Anrede ansprichst. Dies wird oft als unhöflich empfunden – etwa, als ob du im Deutschen „Ey, du!“ sagen würdest. Es mag ganz bestimmte Situationen geben, in denen das noch eher in Ordnung ist, aber darüber schreiben wir ein andermal! (Neugierig geworden? Dann schreib uns an dearduolingo@duolingo.com)
  • お前/オマエ (omae): Dieses Wort kannst du verwenden, wenn du direkt mit engen Freunden sprichst (es entspricht etwa dem deutschen „Kumpel“). Gegenüber unbekannten, älteren oder übergeordneten Personen solltest du es also unbedingt vermeiden, da es sehr unhöflich und je nach Situation auch gönnerhaft wirken würde.
  • 君 (kimi): Dieses Pronomen ist eine freundlichere Art, „du“/„Sie“ zu sagen, und passt gut in eine höfliche Ansprache. Wenn es allerdings von jemandem gesagt wird, der weder älter ist noch eine Autoritätsperson, kann es schnell herablassend wirken. Oft wird kimi für Titel von fiktionalen Werken oder Liedern gewählt , wie etwa im Anime-Film Your Name 君の名は (Kimi no Na wa [Artikel auf Englisch]).
  • ⚠️⚔️⚠️ てめえ (temee) und 貴様/キサマ (kisama): Diese Pronomen werden als sehr unhöflich empfunden und gehören nur in ein Schwertduell mit deinem Erzfeind!

Japanische Höflichkeitsrede in der Praxis: Animes

Animes zu sehen ist eine tolle Möglichkeit, die japanische Höflichkeitssprache zu üben, da die Beziehungen zwischen den Charakteren so wichtig für die Handlung sind. Daher findet man in Animes viele Beispiele für verschiedene Höflichkeits- und Formalitätsstufen! Hier sind nur einige:

  • Spy x Family. In diesem Anime verkleiden sich ein Spion (Loid), eine Attentäterin (Yor) und eine Hellseherin (Anya) als Familie, weshalb ihre Kommunikation in der Öffentlichkeit anders ist als in ihren privaten Gesprächen! Loid spricht in der Öffentlichkeit locker mit Yor, um vorzugeben, dass sie verheiratet sind, hält jedoch in privaten Situationen Abstand, indem er höfliche Sprache verwendet. Yor geht mit der Höflichkeit sogar so weit, dass sie nicht nur mit ihrer falschen Tochter Anya (die viel jünger ist als Yor) höflich spricht, sondern auch mit ihrem jüngeren Bruder und in ihren Monologen.
  • Bocchi the Rock. In der Rockband von Bocchi the Rock! gibt es viele Dynamiken zu beobachten, was Höflichkeit angeht. Hitori und Kita sind Klassenkameraden, also gleichaltrig, weshalb Kita mit Hitori in einem lockeren Ton spricht – doch Hitori bleibt bei der höflichen Sprache, um etwas Abstand zu wahren, da sie in sozialen Kontexten ziemlich ängstlich ist und sich dabei nicht wohl fühlen würde, informelle Sprache zu verwenden. Nijika und Ryou sind bereits eng befreundet und älter als Hitori und Kita, weshalb sie mit allen in der informellen Sprache sprechen.
  • Kaguya-sama: Love is War. In diesem Anime ist Kaguya Vizepräsidentin des Schülerrats an einer schicken Privatschule und spricht den Präsidenten des Schülerrats, Miyuki stets mit dem Titel 会長 (kaichou) an, was „Präsident“ bedeutet. Sie verwendet generell die formelle Sprache, sogar gegenüber jüngeren Freunden, was ihr eine Aura kühler Distanz oder Eleganz verleiht.

Das richtige Maß an Höflichkeit

Japanischlernende können die verschiedenen Höflichkeitsstufen auch als spannenden Einblick in die japanische Kultur (Artikel auf Englisch) und die zwischenmenschlichen Beziehungen nutzen. Japanisches Fernsehen oder Filme zu schauen ist dabei eine unterhaltsame Möglichkeit, die unterschiedlichen Höflichkeitsformen in Aktion zu erleben!