Willkommen zu einer weiteren Woche von „Sag mal, Duolingo“, der Ratgeber-Kolumne für Sprachenlernende. Frühere Ausgaben findest du hier.
Hallo, liebe Lernende! Vor einiger Zeit haben wir über Fehler beim Sprachenlernen geschrieben und Hunderte von euch haben uns sofort kontaktiert und wollten mehr darüber wissen. Ich weiß nicht, ob wir jemals in so kurzer Zeit so viele Nachrichten zu einem Thema erhalten haben …
Hier eine repräsentative Frage dieser Woche, die es auf den Punkt bringt:
Im Grunde genommen gibt es zwei typische Fehler beim Sprachenlernen, die wir uns ansehen sollten: solche, die unabhängig von der Lernsprache sind, und solche, die sprachspezifisch sind. Auf die sprachspezifischen Fehlern gehen wir ein anderes Mal genauer ein … denn allein über die universellen Fehler gibt es schon so viel zu sagen!
Diese Fehlermuster basieren darauf, dass wir alle mit den gleichen Werkzeugen (Gehirn, Mund, Hände, Zunge usw.) lernen. Daher geben sie Aufschluss darüber, wie unser Gehirn neue Sprachen verarbeitet – worauf es seine Aufmerksamkeit lenkt, worauf es sich nur schwer konzentrieren kann (beide Artikel auf Englisch) und wie es die richtige Bedeutung ermittelt – und wie unsere bereits vorhandenen und neuen Sprachen im Kopf miteinander interagieren.
Dabei ist zu beachten, dass diese Fehlermuster seit Jahrzehnten von Sprachforschern bei allen Lernenden, Kurstypen und Spracherfahrungen beobachtet wurden. Fehler sind ein natürlicher Teil des Lernens, egal, wie oder was man lernt!
Dies sind 8 Fehlermuster, mit denen Lernende aller Sprachen zu tun haben:
🎢 U-förmiges Lernen
Das U-förmige Lernen beschreibt den typischen Verlauf beim Lernen: Zunächst machen wir etwas richtig, danach werden wir schlechter (!) darin, und dann machen wir es wieder richtig. (Daher das „U“: Man beginnt oben, fällt dann steil ab und steigt anschließend wieder auf.)
In frühen Lernphasen geht es häufig darum, sich Wörter und Ausdrücke als einzelne Einheiten zu merken: Man lernt, was man sagen muss, aber man versteht nicht wirklich die Grammatikregeln dahinter. Wenn man mehr Grammatik lernt, muss das Gehirn diese neuen Informationen mit dem verbinden, was man zuvor als Einheit auswendig gelernt hat. Es entwickelt Hypothesen darüber, was da gerade passieren könnte – und es ist unvermeidlich, dass es bestimmte (falsche) Hypothesen testet, die ganz natürlich erscheinen. Dann werden diese falschen Hypothesen immer wieder ersetzt, bis man schließlich zu einer vollständigeren, ausgereifteren Verwendung dieser Einheit gelangt, inklusive Vorstellungen über die Grammatik, die dahintersteckt.
Dieser Prozess findet sowohl beim Erst- als auch beim Zweitspracherwerb statt:
- Kinder, die Englisch als Muttersprache lernen: Englischsprachige Kleinkinder verwenden z. B. “I went” in dem Satz I went to the store with Daddy (Ich ging mit Papa ins Geschäft) richtig, weil sie es als Block gelernt, also als Iwent gruppiert haben. Als Nächstes merken sie, dass man für die Vergangenheitsform -ed an Verben anhängt, weshalb sie anfangen, dieses Muster konsequent auf alle Verben zu übertragen: I goed to the store with Daddy. Mit der Zeit sammeln sie immer mehr Daten und hören immer mehr Sprachbeispiele, sodass sie bald erkennen, dass go ein unregelmäßiges Verb ist, und sie möglicherweise I wented sagen. Schließlich, nach weiterer Daten- und Musteranalyse, beginnen sie wieder I went zu verwenden – aber diesmal wissen sie, dass went die unregelmäßige Vergangenheitsform von go ist (ohne jemals zu wissen, wie die Form heißt)!
- Erwachsene, die Spanisch als Zweitsprache lernen: Wenn wir als Erwachsene Spanisch lernen, ist einer unserer ersten Sätze in der Regel Me llamo (Ich heiße, wörtlich: „[ich] mich heiße“), wobei diese beiden Wörter oft als Einheit gelernt werden: Mellamo. Je mehr man sich mit Spanisch auseinandersetzt und beginnt, sich mit den Verben zu beschäftigen, desto deutlicher wird, dass llamo das Verb llamar mit der Endung „-o“ ist ... Doch zu diesem frühen Zeitpunkt bleibt unklar, welche Funktion das „me“ hat. Daher könnte es passieren, dass wir zunächst yo llamo sagen, denn im Deutschen benutzen wir hier kein Reflexivpronomen, sondern wir sagen „ich heiße“ und nicht „(ich) mich heiße“. Nachdem wir allerdings genügend Beispiele gesehen und auch mehr über reflexive Verben gelernt haben, die me verwenden, kehren wir zu dem korrekten me llamo zurück.
👯♀️ Generalisierungen
Unser Gehirn sammelt viele Sprachdaten und testet Hypothesen aus. Wenn es auf eine Regel stößt, die in vielen Fällen funktioniert, ist es begeistert … weshalb es leicht passiert, dass wir diese Regel verallgemeinern und auch in Situationen anwenden, in denen sie nicht funktioniert! Zum Beispiel lernen wir im Englischunterricht, dass das Hinzufügen von -s an ein Substantiv dieses in den Plural verwandelt: cat-cats, dog-dogs, house-houses, bottle-bottles usw. Eine wunderbar praktische Regel! Aber natürlich gibt es alle möglichen Ausnahmen und daher passiert es anfangs häufig, dass wir childs, gooses, tooths, foots usw sagen. Seufz ... diese Hypothese muss wohl revidiert werden. 😉
⚖️ Vorliebe für Inhaltswörter
Unser Gehirn priorisiert oft Inhaltswörter über grammatikalische Wörter und Endungen, was zu einer selektiven Verarbeitung führen kann: Die Grammatikelemente werden nicht vollständig aufgenommen! Zum Beispiel signalisiert das Wort yesterday im Englischen, dass etwas in der Vergangenheit passiert ist. Außerdem verwenden wir die Endung -ed, um die Vergangenheit auszudrücken. In einem Satz wie Yesterday we walked to the store (Gestern gingen wir zum Laden) gibt es also zwei Elemente, die die Vergangenheitsform anzeigen: Das Inhaltswort yesterday und die grammatikalische Endung -ed. Das bedeutet, dass das Gehirn der Lernenden das Wort yesterday verarbeitet und die Endung -ed möglicherweise ignoriert, da beide die gleiche Bedeutung haben! Deshalb betonen Lehrmaterialien beim Erlernen der Vergangenheitsform in den ersten Lektionen oft Schlüsselwörter wie yesterday ... Aber letztendlich müssen wir uns daran gewöhnen, auch mit diesen Endungen allein auszukommen.
📰 Bessere Verarbeitung von neuen Informationen
Wir verarbeiten die wichtigsten Inhaltswörter und Teile von Wörtern noch vor den grammatikalischen Elementen, die keine neuen Informationen hinzufügen – Lernende haben also definitiv einen kognitiven Grund, das grammatikalische Geschlecht zu fürchten! Englische Präfixe und Suffixe, die neue Informationen hinzufügen, wie das un- in unlikely, werden intensiver verarbeitet (Artikel auf Englisch) als das -s bei Verbformen wie walks. (Es gibt noch weitere Gründe, warum bei Verben die englische Endung -s für Lernende so schwierig ist!)
🥇 Die Wichtigkeit des ersten Substantivs
Unser Gehirn geht in der Regel davon aus, dass das erste Substantiv im Satz das Subjekt ist, also die handelnde Person oder Sache. Im Englischen führt das in der Regel zum richtigen Verständnis des Satzes, da englische Subjekte vor dem Objekt stehen (Artikel auf Englisch), aber es kann unter Umständen auch irreführend sein.
In einem Satz wie beispielsweise The cat was chased by the dog (Die Katze wurde vom Hund gejagt) ist es zwar richtig, dass die Katze das grammatikalische Subjekt dieses Passivsatzes ist – da wir uns aber mehr auf das chase konzentrieren, als auf das was oder die Endung -ed, die für das Passiv verwendet wird, können Lernende leicht denken, dass die Katze auf Verfolgungsjagd ist, da sie ja das erste Substantiv ist. (Und bei einer Lernsprache mit flexiblerer Wortstellung wie z.B. dem Deutschen kann noch mehr Verwirrung entstehen.)
⏰ Mehr Aufmerksamkeit am Anfang des Satzes
Selbst über das erste Substantiv hinaus richten Sprachlernende im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit auf die ersten Wörter im Satz und verarbeiten diese gründlicher als Wörter, Präfixe und Suffixe, die später im Satz vorkommen. Unserem Gehirn geht später im Satz sozusagen die Puste aus ... Aber natürlich enthält der Satz auch noch am Ende wichtige grammatikalische Informationen! Lernende der deutschen Sprache stellen dies häufig fest, wenn sie einen langen Satz vor sich haben und das Verb erst ganz am Ende kommt.
🤔 Wir verlassen uns auf unser Weltwissen
Beim Verstehen einer neu gelernten Sprache nutzt unser Gehirn alle uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, um die Bedeutung zu ermitteln, einschließlich einiger Strategien, die nicht einmal unbedingt mit Sprache zu tun haben! Wir integrieren unser Weltwissen sowie den speziellen Kontext, in dem wir die Sprache verwenden, um die Bedeutung von Wörtern und Sätzen herauszufinden und die kleinen grammatikalischen Details zu lernen.
Wenn du eine neue Sprache lernst und darin den Satz Die Katze wurde von der Maus gejagt hörst, nutzt du dein Wissen über Katzen und Mäuse, um zu erschließen, wer wen mit größerer Wahrscheinlichkeit verfolgt – obwohl die korrekte Schlussforderung speziell in diesem Satz falsch wäre. Ähnlich sieht es mit dem Beispiel Der Stuhl wurde vom Hund angeknabbert aus: Auch wenn du dir über die Wortfolge oder die grammatikalischen Endungen nicht ganz sicher bist, weißt du aus der Praxis, dass Stühle nichts anknabbern, weshalb deine Aufmerksamkeit von dieser Interpretation abgelenkt wird. Du siehst bereits, wie viele dieser Mechanismen auf komplexe Weise zusammenwirken, damit selbst relativ kurze Sätze verstanden werden.
Unser natürliches Vertrauen in die Wahrscheinlichkeit macht einen Teil des Vorteils der Quatschsätze in den Duolingo-Lektionen aus: Man muss sich wirklich auf die Bedeutung und die tatsächlichen Wörter sowie die Grammatik des Satzes konzentrieren, um diesen richtig zu verstehen.
♻️ Sprachtransfer
Neben all diesen Faktoren, die damit zu tun haben, wie sich unser Gehirn auf neue Informationen konzentriert und diese aufnimmt, gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt zu berücksichtigen: Wir beherrschen bereits (mindestens) eine Sprache!
Wir verwenden weitgehend dieselben Bereiche unseres Gehirns (Artikel auf Englisch), um sowohl unsere Muttersprache als auch später erlernte Sprachen zu verarbeiten. Daher ist es ganz normal, dass unser Gehirn die Regeln, Laute und Grammatik unserer Erstsprache auf die Lernsprache überträgt. In der Praxis kann das bedeuten, dass wir Wörter der neuen Sprache in der Reihenfolge wie in unserer Muttersprache (Artikel auf Englisch) verwenden, mit einem Akzent sprechen und Wörter oder Endungen auslassen, die in unserer ersten Sprache nicht üblich sind. So ist es z. B. im Spanischen und Italienischen nicht erforderlich, das Subjektpronomen zu verwenden, während dieses im Deutschen und Englischen obligatorisch ist.
Lass dem Lernen freien Lauf!
Es ist völlig normal, beim Erlernen einer neuen Sprache Fehler zu machen, auch wenn das frustrierend sein kann. Mit regelmäßigem Üben kannst du diese Phasen zwar schneller durchlaufen, aber du kannst sie nicht überspringen. Letztendlich bist du darauf angewiesen, dass dein Gehirn seinen eigenen Weg findet – also lass es einfach geschehen! 🧠
Wenn du weitere Fragen zum Thema Lernen und Sprachen hast, schreib uns eine E-Mail an dearduolingo@duolingo.com.